Vom Sitter-in zum Openair St. Gallen
«Das St. Galler Openair ist eines der ältesten Openair-Festivals der Schweiz. Für die Besucherinnen und Besucher bedeutet es: sich mit Gummistiefeln und Regenjacken ausstatten und manchmal im Matsch baden – oder in der Sitter […] Hier treffen Altachtundsechziger auf Schülerinnen und Schüler, die zum ersten Mal über Nacht von zu Hause wegbleiben: um zusammen Musik zu hören, zu tanzen, zu essen, zu trinken, zu feiern.
Die Anfänge des Openairs St. Gallen reichen bis in die frühen Siebzigerjahre zurück: An der Sitter, in der Nähe der ‹Ganggelibrugg› (der Haggenbrücke) fand ein erstes Outdoor-Festival statt, Sitter-in genannt.
Pius Frey, Mitbegründer der Buchhandlung Comedia, beschreibt es als ein ‹richtig autonomes Ding›, organisiert von Hippies und Rockern; die Rocker verkehrten damals regelmässig an der Sitter unten. Eigentlich lag das damalige Openair auf der Appenzeller Seite, denn die grosse Wiese neben der Haggenbrücke befindet sich genau an der Grenze zu Appenzell Ausserrhoden – mit ein Grund, warum das Festival zu Auseinandersetzungen mit der Polizei führte.
Das erste ‹richtige› Openair St. Gallen veranstaltete 1977 Freddi ‹Gagi› Geiger, Hobbyorganisator von Konzerten und Discos. Es fand nicht wie heute im Sittertobel, sondern auf dem Ätschberg in Abtwil statt. 13 Bands spielten, darunter ‹Krokus›, vor 2048 Besucherinnen und Besuchern. Es versank fast im Regen, der auch zu einem Stromausfall führte. Zum Glück hatten Toni Vescoli und Alexis Korner einen Batterie-Kofferverstärker dabei. So konnten die Zuschauenden doch noch, eng zusammengerückt, dem Konzert lauschen.
Ein Jahr später zügelte das Openair in die Rüti, ebenfalls in Abtwil. Leider musste auch diese Ausgabe wetterbedingt frühzeitig abgebrochen werden. Es folgten zwei weitere nicht wasserdichte Festivals in Abtwil, bis 1981 der geeignete Ort im Sittertobel gefunden wurde.
Das Openair ist heute noch als ‹Schlammgallen› bekannt.»
Aus: «Güllens Grünes Gemüse. Ein halbes Jahrhundert Jugendbewegung und städtische Jugendarbeit» von Simone Meyer. Mehr zur lebendigen Jugendkultur in der Stadt St. Gallen, die sich seit den 1960er-Jahren entwickelt hat, ist hier zu entdecken:
https://www.vgs-sg.ch/katalog/guellens-gruenes-gemuese